Die Aufarbeitung des VW-Dieselskandals beschäftigt mittlerweile viele Gerichte. Wir veröffentlichen eine Entscheidung des LG Augsburg, welches mit einem besonders verbraucherfreundlichen Urteil für Aufregung sorgte. Erstmals hat ein deutsches Gericht entschieden, dass der Verbraucher den gesamten Kaufpreis eines Autos mit “Diesel-Schummelsoftware” erstattet bekommt - ohne Abzug eines Nutzungsersatzes.

Warum ist das Urteil (Az.: 021 O 4310/16) vom LG Augsburg besonders?

Hierbei hilft ein Blick in die Entscheidungsgründe, die leider in dem vorliegenden Fall nicht besonders ausführlich sind. Die Ablehnung eines Nutzungsersatz begründet das LG Augsburg damit, dass dies in dem Fall des § 826 BGB, also der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung, nicht mit dem Gedanken des Schadensersatzrechts vereinbar ist. Hierbei verweist das LG Augsburg auf ein Urteil des EuGH aus dem Jahr 2008 (EuGH v. 17.4.2008, Rs. C-404/06 ), welches sich mit Art. 3 Abs. 3 Unterab. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Richtlinie 1999/44/EG beschäftigt. Hierbei ging es um die Frage, inwiefern der Verkäufer unter Berücksichtigung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Nutzungsersatz für ein vertragswidriges Verbrauchsgut verlangen kann. Dabei handelte es sich um eine sog. Vorlagefrage, die der EuGH wie folgt entscheidet und begründet hatte: Nach Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie kann der Verkäufer keinen Nutzungsersatz verlangen, wenn er ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat. Demnach sind nationale Normen dementsprechend richtlinienkonform auszulegen. Entsprechend ist dieser Rechtsgedanke auf das Schadensersatzrecht im vorliegenden Fall anwendbar. Die Argumentation des LG Augsburg ist daher insofern interessant, als das damit eine neue Argumentation gegen die Anrechnung eines Nutzungsersatzes eröffnet wird. Inwieweit diese Rechtsprechung halten und sich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Unser Kommentar dazu:

Für die Auffassung des LG Augsburg spricht, dass derjenige der sittenwidrig geschädigt wurde nicht noch Nutzungsersatz für das vertragswidrige Verbrauchsgut zahlen muss. Gegen welchen Gedanken des Schadensersatzrechts konkret hier verstoßen wird, lässt das LG Augsburg offen. Aus einem sittenwidrigen Verhalten kann der Verkäufer keine Früchte ziehen, weil hier das Unrecht besonder hoch ist, da der Verbraucher gutgläubig den vertragswidrigen Gegenstand genutzt hat und darauf vertraut hat, ein vertragsmäßigen Gegenstand zu erhalten.

Im Übrigen hat der Verkäufer gegenüber dem Verbraucher nach Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie für jede Vertragswidrigkeit zu haften. Durch die Nichterbringung des Nutzungsersatzes wird der Verbraucher auch nicht ungerechtfertigt bereichert, da er an erster Stelle das Fahrzeug nicht erworben hätte und damit an zweiter Stelle die Nutzungen nicht gezogen hätte. Für den Erwerb, sowie für die Nutzung des Fahrzeuges haftet der Verkäufer gerade auch deshalb, weil er durch die sittenwidrige Schädigung, hier die Täuschung, überhaupt erst den Kauf und die damit verbundene Nutzung verursacht hat. Durch eine Zahlung von Nutzungsersatz würde der Verkäufer trotz der sittenwidrigen Schädigung noch einen Vorteil erlangen, der mit dem Gedanken den Schadensersatzrechts unvereinbar ist - nämlich eine Bereicherung.

Es handelt sich bei dem Schadensersatz nach § 826 BGB auch nicht um eine bloße Schlechterfüllung, sondern um eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung dessen Konsequenzen der Verkäufer in vollem Maße tragen muss. Gerade bei vorsätzlichem Verhalten, kann der Verkäufer nicht noch einen Nutzungsersatz verlangen.

Die vorliegende Entscheidung zeigt, wie wichtig die Veröffentlichung von Einzelentscheidungen ist, da die Entscheidung des LG Augsburg eine erheblich andere Meinung vertritt als die überwiegende Rechtsprechung in den Dieselfällen. Gerade davon lebt ein demokratische Rechtsstaat mit der Unabhängigkeit der Justiz. Nämlich zu zeigen, dass jede Entscheidung einzeln betrachtet werden muss und eine verschiedene juristische Argumentation möglich ist, bevor eine Leitentscheidung getroffen wird.
Generell geht es bei dem freien Zugang zu Gerichtsentscheidungen eben auch gerade darum die Vielfalt von Gerichtsentscheidungen in dem jeweiligen Einzelfall zu zeigen.

Das Urteil mussten wir extra beim LG Augsburg herausverlangen, da es bislang nicht veröffentlicht wurde. Dafür wurde eine Verwaltungsgebühr erhoben.